Gefahrgutverpackung – Airbags hinter Gittern
Veröffentlicht am 13. Juli 2016 von Jörg Baumann.
Gefahrgutverpackung für Gefahrgüter sind etwas Besonderes! Sie müssen sicher transportiert werden und daher werden die Verpackungen unter Extrembedingungen geprüft und erhalten erst dann eine UN-Zulassung. Doch eine Gefahrgutverpackung aus Wellpappe die im Feuer geprüft werden – geht das?
Gefahrgutverpackung der Gefahrgutklasse 9
Transportgüter der Gefahrgutklasse 9 müssen samt Verpackung einen Abbrandtest bestehen. In diese Klasse fallen Stoffe und Gegenstände, wie z.B. Trockeneis, flüssiger Stickstoff, Asbest, Lithiumbatterien – und einige Airbagtypen. Der Abbrandtest gilt als erfolgreich bestanden, wenn alle Brandrückstände innerhalb eines Sicherheitsradius von 4 Metern liegen. Diese Auflage dient u.a. dem Schutz der Feuerwehrleute oder Schaulustigen, die nichts ahnend das Spektakel eines brennenden LKWs verfolgen.
Einige Airbags sind mit Gasgeneratoren, Anzündeeinheit und Festtreibstoff ausgestattet. Was ist, wenn eine Ladung dieser Airbags in Brand gerät? Ich kann es Ihnen sagen: Nach dem ersten großen Knall geht man schnell in Deckung, um nicht von umherfliegenden Teilen getroffen zu werden. Logisch, dass eine Gefahrgutverpackung aus Wellpappe nur schwer im Feuer (die sogenannte Bonfire-Prüfung oder 6-Test) die Airbags schützt- Papier brennt wunderbar.
Die Verpackungsentwicklung
Vor vielen Jahren sollte ich für den Airbaghersteller Autoliv und die Volkswagen AG eine Lösung für das Problem entwickeln. Bis dato wurden kritische Airbags in einem schweren Gitterkorb aus Stahl plus einen dazugehörigen Gefahrgutkarton verpackt. Insgesamt eine sehr teuere Angelegenheit. Das Ziel war, nicht nur den 6c-Test bestehen, sondern auch eine kostengünstigere Lösung zu entwickeln.
Ich hatte bei Abbrandtests beobachtet, dass der schwere Gitterkorb extrem sicher war, denn er blieb trotz des explodierenden Airbags an Ort und Stelle. Die UN-Prüfung erlaubt jedoch ausdrücklich einen Sicherheitsradius von bis zu 4 Metern. Bisher wurde der Sprengkraft der Airbags die Kraft der Masse, der schwere Gitterkorb, entgegengesetzt. Mein Ansatz: Die frei werdende kinetische Energie durch ein nicht brennbares, flexibles Material zu „absorbieren“ .
Nach vielen Materialtests entsprach ein engmaschiges, dünnes Drahtgitter unseren Anforderungen. Aber wie wird daraus einen versandfähigen Gefahrgutverpackung? Die Lösung: Das Metallgitter zwischen zwei Wellpappen kleben und anschließend daraus eine Verpackung stanzen! Klingt einfach, bedeutete aber 4 Monaten intensive Entwicklungsarbeit, bis die ersten Prototyp-Verpackungen im Feuer lagen. Die neue Verpackungslösung wurde mit drei verschiedenen Airbags getestet: Airbags mit Magnesiumgehäuse – welche schnell ein sehr heftiges Feuer auslösten. Airbags mit Kunststoffgehäuse – verursachten eine Explosion wie ein Kanonenschlag und Airbags mit Stahlgehäuse. Bei allen drei Bonfire-Prüfungen blieben die Lebensretter im Sicherheitsradius und habe den UN 6c-Test bestanden.
Was soll soll ich sagen, dieses Projekt war bisher meine größte Herausforderung und ich durfte dafür den Gefahr/gut Innovationspreis entgegennehmen. Heute ist diese Gitterverpackung in der Auto- & Airbagindustrie eine Standardverpackung.
Mehr Infos zur Verpackungslösung unter Protegos.eu