Galileo: falsche Paketkosten – zu viel Luft
Veröffentlicht am 3. Februar 2016 von Jörg Baumann.
Pro7 Rätsel der Verpackungsindustrie: Galileo fragt in einer viereinhalb-minütigen Reportage über Versandverpackungen von Online-Händlern: „Warum werden Produkte oft in viel zu großen Kartons verschickt?“ Dieser Beitrag ist absolut NICHT EMPFEHLENSWERT und ich muss unbedingt einige Aussagen korrigieren. Wenn Sie also (leider) den gesetzten Link zur Pro7 Mediathek anklicken – nehmen Sie sich bitte auch Zeit für folgendes:
Pro7 Rätsel der Verpackungsindustrie
Der Reporter von Galileo behauptet, es gäbe drei Gründe, warum Versandhändler „übergroße Kartons für eigentlich winzige Gegenstände“ verschicken:
- Zu viele Verpackungsgrößen wären in der Anschaffung und Lagerung zu teuer.
- Ein bestimmter Abstand des Produkts zum Karton wäre notwendig, um die Ware vor Beschädigung zu schützen.
- Große Pakete würden sich besser auf Europaletten stapeln und somit einfacher transportieren lassen.
Diesen Unsinn kann ich auf keinen Fall so stehen lassen!
Zu Punkt 1:
Laut Galileo setzt Amazon 40 Kartongrößen ein. Das ist im Vergleich zu anderen Versandhändlern eine sehr beachtliche Anzahl von Verpackungsgrößen. Amazon hat mit Abstand den größten Warenkorb zu organisieren. Seine Fülle macht es schlicht unmöglich, logistisch und administrativ, für tatsächlich jede Warensendung die optimale Größe Versandkarton auf Lager zu haben. Bei vielen anderen Online-Versandhändlern ist es jedoch durchaus möglich, das Produktportfolio genau auf eine individuelle Palette von passenden Versandkartons abzustimmen. Wird das getan, verringern statt erhöhen sich die Kosten für Anschaffung und Lagerung, und zwar erheblich! Ein gut durchdachtes Verpackungskonzept lohnt sich immer.
Zu Punkt 2:
Zweifellos brauchen empfindliche Produkte einen bestimmten Abstand zum Karton und müssen ausreichend (und richtig!) gepolstert werden. Das rechtfertigt aber nicht „übergroße“ Kartons. Viele Produkte werden vom Hersteller bereits transportsicher verpackt und benötigen keinen extra Abstand zum Außenkarton. Zuviel Luft schafft zuviel CO2 .
Zu Punkt 3:
„Große Pakete lassen sich besser stapeln und transportieren.“ (Das klingt in meinen Ohren nach echtem Blödsinn! ) Wer keine Ahnung von Versandlogistik hat, dem mag die Aussage plausibel klingen. Profis wissen, dass neben Europaletten viele andere effiziente Lademittel genutzt werden, um Verpackungen aller Art gut und sicher zu stapeln und zu transportieren.
Schlussfolgerung
Zum krönenden Abschluss fragt eine Stimme aus dem Off: „Es geht also ums Kostensparen, aber – größere Pakete bedeuten doch auch mehr Porto für die Versandhändler, ODER?“ Wie diese Frage in der Sendung beantwortet wird, ist eine Goldene Himbeere wert. Folgender Gedankengang wird präsentiert: „Der Versandhändler bezahlt pro LKW und nicht pro Paket.“ Stimmt nicht, aber gut. „Dafür sind mehr LKWs unterwegs – kostet das Ganze dann trotzdem mehr?“ Äh, wie bitte!? Dann wird postuliert: „Unterm Strich bleibt, die Standardpakete ersparen in Anschaffung und Lagerung Kosten und diese Ersparnis überwiegt die höheren Porto- und Transportkosten.“ Und weil es leider eben nicht um Info- sondern nur um -tainment geht, schliesst Pro7 mit dem geistreichen Fazit: „Für die Versandhändler ist es billiger, Luft zu verschicken.„
Liebes Galileo-Team, was soll das? Ein Versandhändler zahlt nicht pro LKW, sondern pro Paket. In der Regel kalkulieren die Paketdienste Pauschalpreise für Vielversender, basierend auf der Paketmenge und dem durchschnittlichen Gewicht pro Paket. Es macht für Amazon & Co. keinen monetären Unterschied, ob sie tausend optimal passende oder tausend zu große Pakete verschicken. Es ist nicht billiger, Luft zu verschicken, sondern einfach nur sinnloser Materialverschleiß und sinnlose Umweltbelastung.
Das zweite Thema der Sendung, frustrierende Blister-Verpackungen – eine komplexe Untersuchung für Insider hier .