Biofolie – ab auf den Kompost!?
Veröffentlicht am 14. September 2017 von Jörg Baumann.
Immer mehr Unternehmen setzen beim Thema Nachhaltigkeit auf Biokunststoffe. Wieviel Bio ist Folie, wenn sie als „biologisch abbaubare Folie“ angeboten wird? Nachhaltigkeit durch Biokunststoffe – ist das ein Weg für umweltbewußte Unternehmen?
„Let´s make our planet great again“, so formulierte es der französische Präsident Macron. Ich freue mich über jeden Entscheidungsträger, der neue Wege und Produkte sucht, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Ein aktuelles Thema aus meiner Praxis: biologisch abbaubare Folien für den Versandhandel, zu 100% kompostierbar. Qualitativ hochwertige Folien zu möglichst niedrigen Preisen und ökologisch, ist das Fake oder Fakt?
Stimmt das: Nachhaltigkeit durch Biokunststoffe?
Im Bereich der Kunststoffe gibt es die sogenannten Biokunststoffe (Biopolymere). Diese Bezeichnung lässt den Laien vielleicht an Produkte aus biologischer Landwirtschaft denken. Falsch! Konkret bedeutet das „Bio“ in Polymer nur die Abgrenzung zu den konventionellen Polymeren (die die Meere verseuchen). Biopolymere werden Kunststoffe aus nachwachsenden und/oder aus petrochemischen Rohstoffen genannt. Sie sind, je nach Biopolymer, biologisch abbaubar – oder auch nicht. Fazit: das Thema Biokunststoffe ist sehr komplex. Umweltinteressierte Unternehmen müssen sehr genau hinschauen.
Der Standpunkt von Fachleuten:
Das Umweltbundesamt hat 2009 die Studie „Biologisch abbaubare Kunststoffe“ herausgegeben. Frau Dr. Petra Weißhaupt, Abteilung Produktverantwortung des UBA, bestätigt, dass diese Publikation noch aktuell ist. „Wir nehmen bislang Abstand von grundsätzlichen Empfehlungen für biologisch abbaubare Kunststoffe, da festgestellt werden musste, dass einige der verwendeten Kunststoffe in Kompostieranlagen nicht zuverlässig abgebaut und stark vermischte Abfälle nicht effektiv behandelt werden können. Die nachträgliche Entfernung von nur teilweise abgebauten Kunststoffen aus Bioabfällen ist sehr problematisch.
Außerdem befürchten wir, dass sich die Litteringproblematik (Vermüllung der Umwelt) verschärfen könnte, wenn die biologische Abbaubarkeit von Verbrauchern überschätzt wird. Die zertifizierte biologische Abbaubarkeit bezieht sich auf optimierte Laborbedingungen, welche in der Umwelt zumeist nicht vorliegen. Die verwendeten Materialien sind in der Umwelt vergleichsweise beständig und sollten nicht achtlos entsorgt werden.“
Das UBA spricht sich nach wie vor für recyclingfähige Verpackungslösungen und die getrennte und sorgfältige Sammlung von Verpackung- und Bioabfällen aus.
Das 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen fördert den Einsatz nachwachsender Rohstoffe sowie die Entwicklung und Anwendung nachhaltiger Produkte. Hansjörg Wieland von 3N ist Fachmann für Biopolymere. Er schließt sich der Haltung des UBA an und ergänzt: „Biologische Verpackungen sind im Gegensatz zu konventionellen Kunststoffen vollständig abbaubar und können bei Aufnahme in den Organismus verstoffwechselt werden.“ Für die Verpackungsindustrie lautet sein Fazit: „Für Versandkartons zur Polsterung der Ware wäre im Moment Altpapier oder Pappe zu bevorzugen.“
Nachhaltigkeit heißt Ressourcen schonen. Wir brauchen genauere Definitionen und Aufklärung zum Thema Biokunststoffe. Die Schlagwörter „Bio“ und „Nachhaltigkeit“ lassen zu viel Spielraum für falsche Werbeversprechungen.